Neuronale Relativität: wir können die Zeit beeinflusssen

(© Melanie Vogel) Hast du dich jemals gefragt, warum die Zeit manchmal rasend schnell vergeht und in anderen Momenten nur so dahinschleppt? Laut Dr. David Eagleman, Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften in Stanford, wird die Wahrnehmung der Zeit tatsächlich von unserem Gehirn beeinflusst – und diese Wahrnehmung können wir sogar kontrollieren. Er nennt dieses Phänomen “neuronale Relativität” und vergleicht es mit der Zeitdilatation, die in der Relativitätstheorie von Albert Einstein beschrieben wird.

Was hat die Relativitätstheorie mit der Zeitwahrnehmung zu tun?

Die Relativitätstheorie besagt, dass die Zeit in verschiedenen Situationen unterschiedlich schnell vergeht. Während ein Astronaut in der Nähe eines schwarzen Lochs innerhalb einer Stunde Jahre auf der Erde erleben könnte, nimmt die Wahrnehmung der Zeit auch in unserem Alltag unterschiedliche Geschwindigkeiten an. Eagleman bezieht sich auf diese Theorie und erklärt, dass je intensiver und bedeutungsvoller ein Erlebnis für uns ist, desto länger erscheint uns dieser Moment rückblickend. Er geht noch weiter und erklärt, dass unser Gehirn während außergewöhnlicher Erlebnisse besonders viele Details aufnimmt, was den Eindruck vermittelt, dass die Zeit langsamer verläuft.

Neuronale Relativität: Das Experiment von Dr. Eagleman

Im Jahr 2007 führte Eagleman ein Experiment durch, das seine Theorie der “Neuronalen Relativität” untermauerte. Er ließ Teilnehmer aus 45 Metern Höhe fallen (sie landeten sicher in einem Netz) und maß, wie sich ihre Wahrnehmung der Zeit während des freien Falls veränderte. Das Ergebnis? Die Teilnehmer hatten das Gefühl, die Zeit habe sich gedehnt, da ihr Gehirn so viele neue Eindrücke aufnahm, dass der Moment viel länger erschien, als er tatsächlich war.

Im Gegensatz dazu – so Eagleman – verfliegt die Zeit, wenn unser Leben vorhersehbar und routinemäßig wird, weil das Gehirn weniger neue Erinnerungen speichert. Das erklärt, warum sich Kindheitssommer so lebendig und lang anfühlen, während erwachsene Sommer eher verschwommen und schnell vergehen.

Wie du deine Wahrnehmung der Zeit beeinflussen kannst

Die gute Nachricht: Du kannst die Art und Weise, wie du Zeit erlebst, aktiv steuern! Laut Eagleman ist das Geheimnis, neue Erinnerungen zu schaffen. Dies geschieht durch das Suchen nach neuen, aufregenden Erlebnissen. Du musst dich Herausforderungen stellen, die zwar anstrengend, aber erreichbar sind. Wenn du dich an eine neue Fähigkeit oder Aktivität gewöhnt hast, solltest du sie wieder loslassen und etwas Neues ausprobieren. Dieses Streben nach Neuem ist der Schlüssel zu einer veränderten Wahrnehmung der Zeit.

Zeitwahrnehmung und das Altern – Gibt es einen Zusammenhang?

Obwohl das Konzept der neuronalen Relativität und die Wahrnehmung von Zeit faszinierende Einblicke in unser Gehirn bieten, bleibt die Frage, ob diese Wahrnehmung auch das biologische Altern beeinflussen kann, noch ungeklärt. Erste Studien legen jedoch nahe, dass unser Umgang mit der Zeit in der Tat Auswirkungen auf den Alterungsprozess haben könnte. Eine im Jahr 2024 veröffentlichte Studie im Frontiers in Aging Neuroscience zeigte, dass Veränderungen im Dopaminspiegel und in den neuronalen Timing-Mechanismen mit der Art und Weise zusammenhängen, wie wir die Zeit wahrnehmen. Interessanterweise könnten Aktivitäten, die unser Gehirn herausfordern, wie das Erlernen neuer Fähigkeiten, neuroplastische Prozesse anregen, die wiederum den Alterungsprozess verlangsamen könnten.

Der Blick in die Zukunft Wie Wahrnehmung und Epigenetik zusammenhängen könnten

Das Konzept, dass unsere Wahrnehmung der Zeit Auswirkungen auf unseren biologischen Zustand hat, gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit. Besonders Unternehmer und Forscher im Bereich der Epigenetik – der Wissenschaft von genetischen Veränderungen, die durch Umweltfaktoren beeinflusst werden, ohne das DNA-Muster zu verändern – sehen hier großes Potenzial. Einige futuristische Unternehmen, die von Milliardären wie Bryan Johnson, Jeff Bezos und Peter Thiel unterstützt werden, hoffen, dass diese Erkenntnisse dazu führen werden, dass wir unsere biologische Uhr durch gezielte Interventionen in der Wahrnehmung der Zeit und die Veränderung von Lebensstilen um Jahre zurückdrehen können.

FAzit

Ob wir die Zeit tatsächlich „langsamer“ machen können, bleibt noch unklar, aber was wir sicher wissen: Die Art und Weise, wie wir die Zeit erleben, hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Leben. Indem wir unser Gehirn mit neuen, aufregenden Erlebnissen herausfordern und den Fokus auf Neuheit und Erinnerung legen, können wir das Gefühl der Zeit dehnen und gleichzeitig unser geistiges und körperliches Wohlbefinden fördern. Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, aber der Zusammenhang zwischen Zeitwahrnehmung und Alterung könnte ein spannendes neues Kapitel in der wissenschaftlichen Diskussion über den Alterungsprozess aufschlagen.

Die Macht, Zeit zu beeinflussen, mag noch in den Anfängen stecken – aber sie könnte uns bald zu einem Leben führen, in dem wir den Moment wirklich leben und den Alterungsprozess vielleicht ein Stück weit verlangsamen.


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