Ungeborener Zwilling: Das stille Trauma

(© Melanie Vogel) Der Verlust eines ungeborenen Zwillings ist ein stilles, häufig übersehenes Trauma, das tief in der psychischen Struktur des Überlebenden verankert sein kann. Auch ohne bewusste Erinnerung kann dieser Verlust Gefühle von Leere, Bindungsunsicherheit und lebenslange Suche nach Ganzheit prägen. Der Verlust eines Zwillings in den ersten Schwangerschaftswochen wird medizinisch als vanishing twin bezeichnet. Schätzungen zufolge tritt dieses Phänomen bei bis zu 20–30 % aller Zwillingsschwangerschaften auf, oft bevor die Mutter überhaupt von der Mehrlingsschwangerschaft weiß. Aus Sicht des überlebenden Kindes bedeutet dies: Das Leben beginnt mit einer Erfahrung von Trennung und Verlust – lange bevor das Bewusstsein vollständig entwickelt ist.

Das Trauma aus Sicht des Kindes

Auch wenn das Kind sich an diesen frühen Zeitraum nicht bewusst erinnern kann, zeigen Forschungsergebnisse, dass prä- und perinatale Traumata im Körper und Nervensystem gespeichert werden. Diese frühen Erfahrungen von Verlust, Alleinsein und existenzieller Bedrohung können sich in folgenden Bereichen manifestieren:

  • Emotionale Sensibilität: Überlebende von frühen Zwillingsverlusten neigen zu erhöhter Empathie, können aber auch tiefe Gefühle von Einsamkeit oder innerer Leere verspüren.
  • Bindungsverhalten: Schwierigkeiten, stabile Bindungen einzugehen oder Verlustängste in engen Beziehungen.
  • Selbstwertgefühl: Ein unterschwelliges Gefühl, „nicht vollständig“ zu sein oder unbewusst nach einem fehlenden Teil von sich selbst zu suchen.
  • Körperliches Erleben: Manche berichten von unerklärlicher körperlicher Anspannung, psychosomatischen Symptomen oder Schlafstörungen.

Ein solcher Verlust kann als traumatisches Ereignis im präverbalen Stadium betrachtet werden. Das Gehirn speichert die Erfahrung auf neuronaler Ebene, oft in Form von Gefühlen und körperlichen Reaktionen, die später schwer zugänglich sind, aber das Verhalten beeinflussen.

Auswirkungen auf das spätere Leben

Überlebende eines frühen Zwillingsverlustes berichten häufig von wiederkehrenden Themen im Leben:

  • Suche nach Ganzheit: Ein unbewusstes Streben nach Vollständigkeit, sei es in Beziehungen, Karriere oder persönlicher Entwicklung.
  • Traumatische Reaktivierung: Lebensereignisse, die an frühere Verlusterfahrungen erinnern, können intensive emotionale Reaktionen auslösen.
  • Transgenerationale Effekte: Manche Forschung weist darauf hin, dass prä- und perinatale Traumata subtile Muster an nachfolgende Generationen weitergeben können.

Fazit

Die Geburt eines Kindes wird oft als Beginn des Lebens gefeiert, doch manche beginnen ihr Leben mit einem unsichtbaren Verlust: dem Verlust eines ungeborenen Zwillings in den ersten Schwangerschaftswochen. Dieser Verlust, der häufig unbemerkt bleibt, kann tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische und emotionale Entwicklung des überlebenden Kindes haben.

🔔 Weiterbildung in psychologischer Resilienz & Selbstregulation

Diese praxisorientierte Weiterbildung vermittelt fundierte, anwendungsbezogene Kenntnisse aus drei zukunftsweisenden Ansätzen: der Salutogenen Kommunikation, der Akzeptanz- und Commitment Therapie (ACT) sowie der Polyvagal-Theorie. Alle drei Ansätze helfen unterstützend bei der Bewältigung von Traumata und Lebenskrisen. Ziel der Weiterbildung ist es, individuelle und systemische Resilienzprozesse professionell zu fördern.

Gruppengröße: 10 Personen – first come, first serve

Start: April 2026


Beitrag veröffentlicht

in

von

Review Your Cart
0
Add Coupon Code
Subtotal