(© Melanie Vogel) Stress ist allgegenwärtig. Für viele Menschen ist er die Hauptursache, warum sie sich Unterstützung holen – sei es bei mir im Coaching, in der Therapie oder durch Selbsthilfemethoden. Doch die gute Nachricht ist: Stress ist tatsächlich besser steuerbar, als die meisten glauben. Einfach ist es trotzdem nicht, doch wir können gezielt eine innere Fähigkeit entwickeln, um eine gewisse psychologische Distanz zum Stress aufzubauen – und damit sogar Momente der Ruhe mitten im Chaos finden.
Die „Nervensystem-Meisterschaft“
Der erste Schritt in Richtung „Nervensystem-Meisterschaft“ sieht genau so aus: Nicht jede Emotion, jeden Gedanken oder jedes Stressgefühl ungefiltert übernehmen, sondern lernen, einen Schritt zurückzutreten und den Stress aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
Es geht darum, die Anzeichen von Stress frühzeitig zu erkennen. Was passiert in meinem Körper, wenn Stress beginnt? Welche körperlichen Signale treten auf? Wenn wir diese Signale verstehen, können wir gegensteuern – bevor uns die Stresswelle komplett erfasst.
Die Bühne in deinem Kopf – eine kraftvolle Metapher
Ein plakatives Bild aus der modernen Neurowissenschaft hilft dabei, das Ganze greifbar zu machen: Stell dir dein Bewusstsein wie eine kleine Bühne vor. Auf dieser Bühne laufen ständig Gedanken, Eindrücke und Informationen auf. Forscher sprechen hier vom „Arbeitsgedächtnis“ – auch bekannt als Kurzzeitgedächtnis.
Und diese Bühne ist winzig. Früher ging man davon aus, dass sie Platz für sieben „Akteure“ hat – heute wissen wir, es sind eher vier. Mehr geht nicht.
Ein Beispiel:
Du gehst einkaufen und willst dir merken: Milch, Bananen, Brokkoli, Pasta. Das geht gerade noch. Kommen dann spontan noch Kopfschmerztabletten und Müsliriegel dazu, wird es eng. Die Bühne ist voll. Neue Akteure drängen auf die Bühne – alte werden verdrängt.
Die Regie im Kopf übernehmen
Neben den Akteuren (Gedanken) gibt es aber noch eine weitere, entscheidende Figur: den Regisseur. Der Regisseur hat die Fähigkeit, aus einer übergeordneten Perspektive auf das Bühnengeschehen zu schauen.
Und genau hier wird es spannend: Wir Menschen besitzen diese Fähigkeit zur „Meta-Wahrnehmung“, d.h.: Wir können unsere eigenen Gedanken, Emotionen und Reaktionen beobachten. Ich kann beispielsweise wütend sein und gleichzeitig feststellen: „Wow, ich bin gerade richtig wütend.“
Diese Fähigkeit, aus der eigenen Erfahrung herauszutreten und sich selbst quasi von außen zu betrachten, ist im Kern das, was wir mit „Achtsamkeit“ meinen.

Achtsamkeit – die Superkraft im Alltag
Achtsamkeit (Mindfulness) ist also keine esoterische Spielerei, sondern eine essenzielle Fähigkeit zur Selbststeuerung. Wenn wir regelmäßig üben, unsere eigenen Emotionen und Gedanken bewusst wahrzunehmen, gewinnen wir nach und nach ein enormes Stück Selbstbestimmung zurück.
Plötzlich haben wir die Wahl: Reagiere ich auf meinen Stressimpuls – oder nehme ich ihn nur wahr, ohne direkt zu handeln?
Stress-Signale entdecken und wahrnehmen
Meine ersten Stresssignale sind immer in der Brust spürbar sind – ein unangenehmes Engegefühl. Bei anderen sitzt der Stress vielleicht im Nacken, im Magen oder in den Händen. Wichtig ist, diese ganz eigenen Signale kennenzulernen und sensibel dafür zu werden.
Ich habe irgendwann begonnen, die Regie in meinem Kopf zu übernehmen und auch mithilfe der Energiearbeit über die Jahre ein feineres Gespür für meine eigenen Stress-Signale entwickelt. Heute bemerke ich Stress sehr viel früher als früher, als ich ihn erst spürte, wenn er mich schon komplett überrollt hatte.
Warum das alles so wichtig ist
Was gewinnen wir also durch diese innere Regiearbeit? Die Antwort lautet: Handlungsspielraum. Wahlfreiheit. Kontrolle. Wir werden zum aktiven Gestalter unserer inneren Welt – statt Spielball der äußeren Umstände zu sein.